Monatsimpuls 1-2021

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Neues Jahr – neues Glück – neue Verwurzelung

Vielleicht haben wir zu verstehen verlernt, was Glück ist. Man könnte nach den Beobachtungen des Jahres 2020 durch die Erfahrungen der Pandemie manchmal den Eindruck haben. Paul Watzlawick, Kommunikationswissenschaftler, Philosoph und Psychotherapeut, hat einem seiner Bücher den Titel „Anleitung zum Unglücklich sein“ gegeben. Was muss ich tun, um ein unglücklicher Mensch zu sein? Was muss ich tun, um mich selbst als beklagenswerter Mensch zu empfinden? Was muss ich tun, um deutlich zu machen, dass es ein nicht auszuhaltendes Unglück ist, einige Monate zu anderen Abstand zu halten und auf einen Restaurantbesuch zu verzichten, um verantwortungsvoll mich und andere vor einem unscheinbaren, aber gnadenlosen Virus zu schützen? Und dies, während Tausende das Virus mit dem Leben bezahlen oder in weitaus schlechteren Bedingungen damit leben müssen?

Es gibt für alles gute Argumente – vor allem subjektive Argumente. Was für den einen sich als Unglück anfühlt, ist für die andere eher eine Situation, die nun bewältigt werden muss. Was für die eine tiefe Schmerzerfahrung, Selbstzweifel und Unglück mit sich bringt, ist für den anderen eine Herausforderung, die er, wenn er sie bewältigt hat, als Glück empfindet.

Wir stehen am Anfang eines neuen Jahres, das aus einem sehr belasteten alten Jahr geboren wurde. Ich kann in dieses Jahr schauen mit dem Blick des Nachtrauerns und des Unglücks, das ich nun mit mir ins neue Jahr schleppe. Ich kann dieses neue Jahr aber auch als neues unbekanntes Abenteuer und glückliche Herausforderung des Neugestaltens verstehen. Was am Ende des Jahres stehen wird, weiß niemand von uns. Dass aber im Rückblick viel überraschend Schönes stehen wird, ohne das Schwierige zu leugnen, dessen kann ich mir auch sicher sein. Welch ein Glück, dass ich nicht weiß, was im nächsten Augenblick geschieht. Lass uns planen in dem Bewusstsein, sich vom Unverhofften überraschen zu lassen und all unsere Strategien und Pläne dann erneut zu prüfen und vielleicht wieder umzugestalten. Welch ein Glück, dass wir so leben können – in der Dynamik des Lebendigen und Lebensfrohen.

Dieses Glück erfahren kann ich am ehesten, wenn ich mich fest verwurzelt fühle – verwurzelt in einem Menschen, der mit mir geht. Verwurzelt in einem Gott, der mich so begleitet, dass ich den Weg finde und das Abenteuer des Lebens bestehen kann. Verwurzelt unter dem Schutzmantel Marias, der Mutter Jesu, die bespielhaft in allen ihren Lebenslagen die Verwurzelung in der Liebe Gottes gelebt und bezeugt hat. Es ist ein tiefes Vertrauen in das Leben, wie auch immer es sich entwickelt, weil Gott es mit uns lebt, wie Alfred Delp es einmal sagte; und weil wir in Maria eine Mutter, eine Schwester, eine Wegbegleiterin haben, die dies alles durchlebt und vorgelebt hat. Welch ein Glück!

Im Morgengebet, das Pater Kentenich in seiner harten Zeit im Konzentrationslager Dachau in ganz schlichten Versen formulierte, kommt diese Verwurzelung, dieses unerschütterliche Vertrauen und sein damit verbundenes Gefühl des inneren Glücks zum Ausdruck und lädt ein, sich mit auf den Weg der besonderen Erfahrung des Glücks zu machen:

 

 

„Wenn wir auf eigne Kräfte schauen, /

          sinkt jedes Hoffen und Vertrauen.

Wir reichen, Mutter, dir die Hände /

          und flehn um reiche Liebesspende.

Den Bund, den du mit uns geschlossen, /

          den du mit Gnaden reich begossen,

wirst du die Treue stets bewahren /

           in Stürmen auch und in Gefahren.

Du wirst uns die Berufe senden, /

           die für Dein Reich sich mitverpfänden,

uns Arbeit schicken, reichen Segen, /

           zur Ohnmacht deine Allmacht legen.“

coronakern 

 

Bernhard Brantzen