Monatsimpuls Januar 2020

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Was du liest, ergreife im Glauben;
Was du glaubst, das verkünde,
und was du verkündest, erfülle im Leben.

Solche Worte werden bei der Diakonenweihe gesprochen.

Also alle Priester und Bischöfe bis hinauf zum Heiligen Vater unterstehen dieser Herausforderung. Doch wenn man genauer hinschaut, dann sind alle Christen unter diesem Anspruch. Roger Schütz hat es so formuliert: Bezeugt durch Wort und Tat das vom Evangelium, was ihr verstanden habt – und sei es noch so wenig.

So kommt es wohl darauf an, überzeugend und authentisch zu sein in unserem Christsein.

Jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die Euch erfüllt. Das heißt nicht, theologische Herleitungen zu beherrschen. Das heißt auch nicht, unreflektierte Katechismussätze abzuspulen. Das heißt vielmehr, zusammenhängend und rational nachvollziehbar von unserem Leben zu reden. Dabei ist weder auszuklammern noch zu verteufeln, was an Spannungen in unserer Welt offensichtlich ist, damit wir nicht in eine vermeintlich heile Parallelwelt abgleiten. Außerdem sollten wir versuchen, die Sprache heutiger Menschen zu verstehen und zu sprechen. Das ist wirklich ein weites Feld.

Überzeugend und authentisch werden wir gerade nicht empfunden, wenn wir allerorten unser „Kerngeschäft“ vor uns hertragen (Im Bild der Fronleichnamsprozession tritt das besonders klar zu Tage): Wir geraten in die Gefahr – ähnlich wie bei Trumps „Amerika first“ – die Situation der Menschen aus den Augen zu verlieren, weil deren reale Sorgen und Nöte abgewertet werden und den heiligen Geheimnissen hintan gestellt werden. Bischof Ketteler hat vor 150 Jahren klargestellt, dass der fromme Glaube nicht genügt. Er muss seine Wahrheit durch Taten beweisen. Und Bischof Romero ist dafür gestorben, dass er den Frommen bescheinigt hat, dass ihnen leider die Nähe zur Armut fehlt. Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute sind auch die Nöte der Jünger Christi. Es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände. (Vat II) Damit kein Missverständnis aufkommt: Die Christen wollen nicht über ihre sozialen Leistungen missionieren. Die Liebe ist umsonst. Es geht vielmehr darum, als Christ immer neu zu lernen, auszudrücken, was Gottes Liebe meint: „Lass mich dich lernen, dein Denken und Sprechen, dein Fragen und Dasein, damit ich daran die Botschaft neu lernen kann, die ich dir zu überliefern habe.“ (Bischof Hemmerle 1983) Da ist auch theologisch ein Perspektivwechsel.

Authentisch und überzeugend sind Menschen, wenn sie von Leidenschaft geprägt sind ohne fanatisch fundamentalistisch zu sein. Vermutlich ist eben gerade eine adventliche Haltung wirkungsvoll – angefangen von der willigen Annahme der scheinbar alltäglichen kleinen Aufgabe bis hin zu der Bereitschaft, weiterzugehen, obgleich man gehofft hatte, schon endgültig angekommen zu sein. Karl Rahner meint Glaube ist nicht heller oder lauter Jubel ein Leben lang sondern demütig nüchterne Freude glaubenden Ausharrens, das nicht meint, das greifbar Gegenwärtige sei schon alles.

Gott ist der, dem man begegnet, wenn man loslässt, wenn man wagt der Dumme zu sein, wenn man selbst dort aus Machtkonflikten austritt, wo man die Chance hätte zu siegen, wo man liebt, ohne schon vorher die Gewissheit zu haben, wiedergeliebt zu werden, wo man seine Überzeugung treu bleibt obwohl das nur Nachteile einbringt. Dennoch wird Reich Gottes nicht durch Menschenhand geschaffen und es gibt keinen Druck auf eine besondere Leistung, die wir zu seiner Vollendung erbringen könnten. Zu beobachten ist auch eine Reduzierung und Verdrängung von Vielfalt. „Als mein gelber Wellensittich aus dem Fenster flog ……“  Und wir sehen, dass die freiheitlich demokratische Ordnung nicht davor gefeit ist, jedwede Originalität mit Schimpf und Schande zu überziehen. Gerade kath. Kirche ist konstituiert als Vielfalt in der Einheit und der Einheit in der Vielfalt. Franziskus weist unablässig darauf hin, das Evangelium in die jeweilige individuelle Lebenssituation hinein auszubuchstabieren.

In drei Dimensionen können wir unsere Authentizität entfalten. Die Gefahr der Irrelevanz der Inhalte besteht wohl nicht – wie den Laien manchmal vorgeworfen wird. Die Relevanz der frohen Botschaft entsteht vielmehr gerade dadurch, dass sie für das eigene komplexe und komplizierte Leben Hoffnung auf Erfüllung hervorbringt. Das könnte viele heute interessieren.

Prof. Dr. Ursula Nothelle-Wildfeuer
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg